Wände aus Worten

Wände aus Worten und Geschichten. Ines Seidel Drahthäuser, mit und ohne Betonsockel. Umhüllt von Text auf Teebeuteln, spontan mit Tusche drauflos geschrieben. Mit Wachs versiegelt.

(Haus 1, im Bild oben das zweite von rechts).

wände aus worten und fenster aus leisen worten und türen aus geschichten und wände aus worten und fenster aus leisen worten und dächer aus halben sätzen und treppen aus gelächter nur licht ist einfach so da. Und du bist hier. Ich bin hier.

Dazwischen wände aus worten, fenster aus leisen worten, türen aus geschichten und unausgesprochene kellerräume und du bist hier mit mir. Wir sprechen uns wände.

Dazwischen fällt licht durch wände aus worten und dächer aus halben sätzen und treppen aus gelächter, fenster aus leisen, dünnen worten, türen aus geschichten. Du hörst hier her. Hier her.

Und dächer aus halben sätzen und wände aus worten und alles kann einstürzen wenn uns kein neues wort einfällt, aber licht ist einfach so da. Und du bist hier und ich bin hier und türen aus geschichten, wenn du sie glaubst. Treppen aus gelächter. Kellerräume aus unausgesprochenen worten. Wenn du sie glaubst. Wenn du worte glaubst, bist du hier mit mir.

Wände aus Worten und Geschichten. Ines Seidel




(Haus 3, mit Wurzel und Zweigen darin)

Haus aus Geschichten, warme und kühle Erzählungen, eine bewohnte Sage. Kann die Pflanze ich herauswachsen? Eine größere Geschichte, ein größeres Haus, regenreiche Sätze, Worte aus Westwind + Sonnenstrahlen, schon nach wenigen Fragen unterm Dach, das Haus ausgefüllt, die Geschichte zu klein geworden. Erzähl sie nochmal.

Haus aus Geschichten mit vertrautem Ausmaß, leicht zu durchqueren, schwer zu verlassen, wenn die Geschichte so reizvoll als Biotop mit warmen und kühlen Sätzen, regenreichen Worten.

Haus aus Geschichten, so nah wie die eigene Haut, so glaubwürdig wie der eigene Name. Haus aus Geschichten um den eigenen Namen herumgebaut. Um den Namen gebaut.

Haus aus Geschichten* um den eigenen Namen herumgebaut. *(Nicht alle Geschichten glauben.) Mit kühlen und wärmenden Worten und regenreichen Sätzen und Sonnenstrahlen, damit du wächst, dein Name durchstößt das Dach.


Wände aus Worten und Geschichten. Ines Seidel

Geschichten, zur Seite gerollt

alte Geschichten, ans Ufer gerollt. Ines Seidel
Alte Geschichten, erst aufgetürmt und dann zur Seite gerollt. Nach einer Weile konnte ich sie überall sehen oder mir zumindest vorstellen: neben der Haustür und in der Küche, auf der Autobahnbrücke und am Zaun vom Spielplatz.
alte Geschichten, zur Seite gerollt (Brücke über die Autobahn). Ines Seidel
alte Geschichten, zur Seite gerollt (Feldweg mit Kabelrollen). Ines Seidelalte Geschichten, zur Seite gerollt (mit nackten Füßen). Ines Seidel
weitere Fotos hier

YOU ARE HERE

YOU ARE HERE. Ines Seidel

In allen Wörtern erkenne ich dich,
in den Wörtern, die ich kenne, bin ich mit dir,
in den unbekannten, unerfundenen Wörtern, warten wir aufeinander.

YOU ARE HERE. verändertes Wörterbuch. Ines Seidel

In meinem alten Englischwörterbuch gibt es viele Wörter zwischen hyphen – Bindestrich und immortal – unsterblich: hypnotize, hypocrite, hypothesis, I, idealism, idiot, ignorant, immaterial, immense. Um nur einige aufzuzählen. Du bist überall. Und ich auch, sonst würde ich die Wörter ja nicht kennen. Mal mehr, mal weniger offensichtlich. Über einhundert Ortsmarkierungen habe ich gebraucht, um zu sagen, wo wir sind. Natürlich reichen sie nicht, natürlich reicht ein Wörterbuch nicht.

YOU ARE HERE. Ines Seidel

Taschenwörterbuch Englisch – Deutsch, Stecknadeln mit Polymer-Ton (Fimo). 22 x 15 x 4 cm. Bei Interesse an Postern bitte melden. Weitere Fotos hier und hier.

YOU ARE HERE. Ines Seidel

halbe Geschichten

eine Hälfte der Geschichte. Schale aus Beton und Buchseiten. Ines Seidel

Um das Innere zu sehen
von deiner Geschichte
oder der anderen,
musst du sie öffnen.

zwei halbe Geschichten. Beton und Buchseiten. Ines Seidel
Zwei Papierschalen mit Text aus einem gefundenen spanischen Buch habe ich mit einem Betonmantel umhüllt. Eine der beiden ist außen mit einem Bronzelack beschichtet.

Die Formen sehen für mich aus wie Früchte. Steinobst mit harter Schale. Doch wenn man es aufschneidet, findet man keinen Stein.

Keine Sprache

Ich habe keine Sprache für meine Wirklichkeit. Buch mit Beton. Ines Seidel„Das ist es: ich habe keine Sprache für die Wirklichkeit. … wie soll einer denn beweisen können, wer er in Wirklichkeit ist? Ich kann’s nicht. Weiß ich es denn selbst, wer ich bin? Das ist die erschreckende Erfahrung dieser Untersuchungshaft: ich habe keine Sprache für meine Wirklichkeit!“. Eine Passage aus Max Frisch’s Roman „Stiller“. Die vorangehenden Seiten habe ich durch einen Betonblock ersetzt.
Vorbereitung: DrahtkonststruktionBetonformIch habe keine Sprache für meine Wirklichkeit. Detail. Ines Seidel






Ich habe keine Sprache für meine Wirklichkeit. Buch mit Beton. Ines Seidel

Sprache ist wie Zement, eine Geschichte kann sein wie Beton. Und vielleicht ist das so, weil uns genau diese Form von Geschichte berührt. Sie überträgt eine Erfahrung, über die Grenze des Sagbaren hinweg.

weiterwachsen

Die Geschichte geht weiter - Ines Seidel

Wenn Moos über die Worte wächst
und dann Gras über die ganze Geschichte,
kommen vielleicht noch Löwenzahn, Klee,
Bienen, Schmetterlinge,
eine Schafherde und
was war nochmal so schlimm daran,
wenn einem etwas über den Kopf wächst?

Muster (Ausschnitt) - Ines Seidel
Das Buch, aus dem die Geschichte heraus wächst, ist Teil einer Installation, an der ich gerade arbeite. Das Netz aus zusammengenähten Papierkreisen soll noch länger werden und an der Wand nach oben ranken.

Eiskalte Geschichten

Treffen zweier kalter Geschichten - Ines Seidel

Dein frostiges Lächeln –
vielleicht die Spitze eines Eisbergs, der schmilzt.
Denn
nur kühl kann sie sein, die Einladung,
der Spur deines Mammuts zu folgen.

Geschichte vom Mammut - Ines Seidel
Nachdem ich Geschichten in Wachs konserviert habe, lag es nahe, mit Eis zu arbeiten. Gefrorenes Wasser fängt in der Wohnung sofort an zu schmelzen – das passt gut zu den Geschichten, die auch in ständiger Veränderung sind. Erinnerungen einzufrosten muss ganz schön viel Energie kosten.
Buch in Eis - Ines Seidel
Mehr Fotos von eiskalten Geschichten gibt es im flickr-set zu sehen.
eiskalte Geschichte - Ines Seidel