DAS WUNDERN
KOMMT DIR SCHON ENT
GEGEN. BIST DU ZUM WUNDERN
GEKOMMEN ? DEM WUNDERN ENT-
GEGEN. OH. AH. ALLEN WUNDERN
ENTGEGEN GEHEN UM DIESE
UHRZEIT. HIER KOMMT DIR DAS W-
UNDERN ENTGEGEN. OH! AH! OH!
DU! KOMMST DU DEM WUNDERN
ENTGEGEN? OH! DU! HIER!
DAS WUNDERN KOMMT DIR IM-
MER HIER ENTGEGEN IMMER
GENAU JETZT. KOMMST DU
DEM WUNDERN ENTGEGEN?
OH! DU! HIER IST DER RA-
UM, WO IHR EUCH TREFFT:
DU + WUNDERN.
Archiv der Kategorie: Text
words are not light enough
Worte sind nicht hell genug. Nicht transparent genug.
Worte übertragen kein Licht.
Der Raum zwischen den Buchstaben schon.
Worte sind nicht geräumig genug, nicht klar genug
und sie leuchten nicht von selbst.
Ignoriere die Wörter und lies den Raum dazwischen.
Siehst du? Der Raum zwischen Worten ist frei und lichtdurchlässig.
Das ist der ganze Inhalt. Nur das wollte ich dir zeigen.
Dass du es mit deinen eigenen Augen siehst:
Worte sind nicht licht genug. Aber der Raum dazwischen
ist durchlässig. Dort begegnen wir uns.
Ein Teil des Textes, den ich auf die Seiten der Box geschrieben habe (teilweise in Spiegelschrift), ist in der englischen Version dieses Blogbeitrags zu lesen.
Textur
Seifenblasen
Geschichte, auf Eis geschrieben
Meine Geschichte und deine,
noch getrennt, erstarrt,
beginnen zu schmelzen:
Buchstaben fließen davon,
Sätze sammeln sich in Pfützen…
Unsere Geschichte, ein langsames Fließen,
zerrinnt in neue Muster,
versickert oder verdunstet,
bis auf ein bisschen Staub,
und geht als Regen nieder, irgendwo.
Für die Fotoserie „Geschichte, auf Eis geschrieben“ habe ich einen Eisblock mit Tusche beschriftet. Dafür wählte ich zwei Textfragmente, die mit Wasser zu tun haben:
Unmöglich zu sagen, wie oft ich an diese Flüsse gedacht, wie oft ich von ihnen geträumt habe, wie viele Nächte es mich hingezogen hat zu ihnen, wenn ich durch schlafende Städte zog, trockene, flußlose Städte, auf der Suche nach dem Wasser, auf der Suche nach der Bewegung des Wassers, (…). Aus: John von Düffel „Vom Wasser“.
Vom Wasser haben wir’s gelernt, vom Wasser. Aus: Wilhelm Müller „Das Wandern“
–> in English
Uns halten
May the story hold me, may it be LARGE and bear all of me, may it last long enough to define my FEATURES.
May the story hold YOU, may it be LARGE and bear you, may it last long ENOUGH TO DEFINE your features.
MAY THE STORY hold you and me, may it be large AND BEAR US. May it last long enough to carve out our FEATURES. May it give US NAMES. MAY it be loose enough so we CAN SEE THROUGH IT. MAY IT BE DENSE ENOUGH TO HOLD US FOR A WHILE TOGETHER. MAY THE STORY HOLD YOU AND ME. May it hold us. May it hold you and me. May the story hold all of us.
Möge die Geschichte mich halten, möge sie groß sein und alles von mir tragen, möge sie lang genug dauern, um meine Gesichtszüge zu bestimmen.
Möge die Geschichte dich halten, möge sie groß sein und dich tragen, möge sie lang genug dauern, um dir Gesichtszüge zu geben.
Möge die Geschichte dich und mich halten, möge sie groß sein und uns ertragen. Möge sie lang genug dauern, um unsere Eigenschaften herauszuarbeiten. Möge sie uns Namen geben. Möge sie locker genug sein, damit wir durch sie hindurchsehen können. Möge sie dicht genug sein, damit sie uns für eine Weile zusammen halten kann. Möge die Geschichte dich und mich halten. Möge sie uns halten. Möge sie dich und mich halten. Möge sie uns alle halten.
Text im Inneren der Schale.
Schale aus Draht und Teebeuteln, mit Tusche beschrieben und mit Wachs überzogen.
Kopfformen aus Beton mit Sand, Papier und Zement, mit Farbe bearbeitet.
Zusammen etwa 18 cm Durchmesser und 9 cm Höhe.
Wände aus Worten
Drahthäuser, mit und ohne Betonsockel. Umhüllt von Text auf Teebeuteln, spontan mit Tusche drauflos geschrieben. Mit Wachs versiegelt.
(Haus 1, im Bild oben das zweite von rechts).
wände aus worten und fenster aus leisen worten und türen aus geschichten und wände aus worten und fenster aus leisen worten und dächer aus halben sätzen und treppen aus gelächter nur licht ist einfach so da. Und du bist hier. Ich bin hier.
Dazwischen wände aus worten, fenster aus leisen worten, türen aus geschichten und unausgesprochene kellerräume und du bist hier mit mir. Wir sprechen uns wände.
Dazwischen fällt licht durch wände aus worten und dächer aus halben sätzen und treppen aus gelächter, fenster aus leisen, dünnen worten, türen aus geschichten. Du hörst hier her. Hier her.
Und dächer aus halben sätzen und wände aus worten und alles kann einstürzen wenn uns kein neues wort einfällt, aber licht ist einfach so da. Und du bist hier und ich bin hier und türen aus geschichten, wenn du sie glaubst. Treppen aus gelächter. Kellerräume aus unausgesprochenen worten. Wenn du sie glaubst. Wenn du worte glaubst, bist du hier mit mir.
(Haus 3, mit Wurzel und Zweigen darin)
Haus aus Geschichten, warme und kühle Erzählungen, eine bewohnte Sage. Kann die Pflanze ich herauswachsen? Eine größere Geschichte, ein größeres Haus, regenreiche Sätze, Worte aus Westwind + Sonnenstrahlen, schon nach wenigen Fragen unterm Dach, das Haus ausgefüllt, die Geschichte zu klein geworden. Erzähl sie nochmal.
Haus aus Geschichten mit vertrautem Ausmaß, leicht zu durchqueren, schwer zu verlassen, wenn die Geschichte so reizvoll als Biotop mit warmen und kühlen Sätzen, regenreichen Worten.
Haus aus Geschichten, so nah wie die eigene Haut, so glaubwürdig wie der eigene Name. Haus aus Geschichten um den eigenen Namen herumgebaut. Um den Namen gebaut.
Haus aus Geschichten* um den eigenen Namen herumgebaut. *(Nicht alle Geschichten glauben.) Mit kühlen und wärmenden Worten und regenreichen Sätzen und Sonnenstrahlen, damit du wächst, dein Name durchstößt das Dach.
Keine Sprache
„Das ist es: ich habe keine Sprache für die Wirklichkeit. … wie soll einer denn beweisen können, wer er in Wirklichkeit ist? Ich kann’s nicht. Weiß ich es denn selbst, wer ich bin? Das ist die erschreckende Erfahrung dieser Untersuchungshaft: ich habe keine Sprache für meine Wirklichkeit!“. Eine Passage aus Max Frisch’s Roman „Stiller“. Die vorangehenden Seiten habe ich durch einen Betonblock ersetzt.
Sprache ist wie Zement, eine Geschichte kann sein wie Beton. Und vielleicht ist das so, weil uns genau diese Form von Geschichte berührt. Sie überträgt eine Erfahrung, über die Grenze des Sagbaren hinweg.
Aus der Verfassung
Ich habe die Verfassung der DDR geändert. Tote, abstrakte Wörter habe ich herausgeschnitten. Nur in wenigen Worten war noch Leben, manchmal nur ein oder zwei sprechende Wörter auf einer Seite. Mit rotem Faden habe ich ihnen Halt gegeben.
Jetzt ist der Text in einer fast transparenten Verfassung, selbst die Gebundenheit der Gedanken darin ist bloßgelegt. Die Geschichte des neuen Textes ist nicht ausgelöscht, sie bleibt auf den Rückseiten der verbliebenen Wörter erhalten.
Hier seitenweise die Worte der geänderten Verfassung:
/KAPITEL 1, Politische Grundlagen/
in Stadt und Land im unteren Teil umschlungen
die Freiheit eines anderen Volkes
Die Bodenschätze, die Bergwerke, Kraftwerke, Talsperren und großen Gewässer, die Naturreichtümer des Festlandsockels sind grundsätzlich
Luft der Heimat
Werte als Sache der Körperkultur
/ABSCHNITT II, Bürger und Gemeinschaften in der Gesellschaft/
Jede Jeder
Mann und Frau
befreit
geheimnis
vorhandene Unverletzbarkeit
Die Kirche ihrer Muttersprache
/KAPITEL 3, Die Gewerkschaften und ihre Rechte/
Sie nehmen teil an der Revolution
/KAPITEL 4, Die Produktionsgenossenschaften und ihre Rechte/
freiwillig
/KAPITEL 1, Die Volkskammer/
verwirklicht Entwicklung
für die Dauer der Sorge
Tatsache der Anwesenheit
am 60. Tage am 45. Tage am 15. Tage
/KAPITEL 2, Der Staatsrat/
nach der Neuwahl
schreibt Fragen
/KAPITEL 3, Der Ministerrat/
Er erläßt Namen
zur gemeinsamen Wahrnehmung
/ABSCHNITT IV, Gesetzlichkeit und Rechtspflege/
Leben unmittelbar
unabhängig – gebunden
gehört werden
die Entscheidung zu wenden
Die Verfassung geändert
in Kraft.
Einige Verfassungsseiten habe ich einzeln geändert – sie sind hier und hier zu sehen. Die herausgeschnittenen Wörter der Verfassung habe ich zu Modellen für eine organisch geformte Konstitution geformt.
Neue Wortbehänge
Im Bastelladen habe ich 25×25 cm großen Hasendraht entdeckt. Perfekt um losen Worten einen Halt zu geben. Für mein erstes Experiment mit dem Drahtgeflecht habe ich Tiermärchen verarbeitet. In einer freundlichen Struktur umkreisen sie das Gitter. Und oben wird es dann still.
Mein zweites Experiment war aufwändiger. Ich habe skandinavische Trollmärchen in Streifen geschnitten, teils gewachst und mit Tusche markiert und dann am Gitter festgenäht. In das mysteriöse Gewebe passten auch noch ein paar Charaktere.
Mehr Fotos (zum Vergrößern anklicken)
Meine ersten Wortbehänge sind verhäkelte Heldensagen. Hier anschauen.