sind meine Worte
zu schwer, zu fest um
das Leichte, Helle
zu übermitteln,
das ich sagen will.
Archiv der Kategorie: Sprache
Keine Sprache
„Das ist es: ich habe keine Sprache für die Wirklichkeit. … wie soll einer denn beweisen können, wer er in Wirklichkeit ist? Ich kann’s nicht. Weiß ich es denn selbst, wer ich bin? Das ist die erschreckende Erfahrung dieser Untersuchungshaft: ich habe keine Sprache für meine Wirklichkeit!“. Eine Passage aus Max Frisch’s Roman „Stiller“. Die vorangehenden Seiten habe ich durch einen Betonblock ersetzt.
Sprache ist wie Zement, eine Geschichte kann sein wie Beton. Und vielleicht ist das so, weil uns genau diese Form von Geschichte berührt. Sie überträgt eine Erfahrung, über die Grenze des Sagbaren hinweg.
weben
Geschichten weiterverarbeiten und zu neuen Mustern zusammenfügen hat für mich etwas Versöhnliches, Heilsames. Durch das Weben mit Wolle bekommen die neu entstehenden Geschichten etwas Wärmendes. Sie werden nicht zur Abgrenzung erzählt, sondern um Verbindung herzustellen.
Die Geschichte mit Federn spricht über Sehnsucht: fliegen können, frei wie ein Vogel sein und über den bekannten Horizont hinausgehen. Hineingewebt habe ich außer Liedzeilen auch Textstücke aus einem Buch über die Geschichte der Raumfahrt.
In der gewebten Geschichte mit Zweigen geht es ums Grünen und Wachsen. Vielleicht ist es eine Geschichte über den Frühling.Auf flickr gibt es noch ein verwebtes Foto von mir zu sehen, und ein Muster aus verwebten Plastiktüten.
Aus der Verfassung
Ich habe die Verfassung der DDR geändert. Tote, abstrakte Wörter habe ich herausgeschnitten. Nur in wenigen Worten war noch Leben, manchmal nur ein oder zwei sprechende Wörter auf einer Seite. Mit rotem Faden habe ich ihnen Halt gegeben.
Jetzt ist der Text in einer fast transparenten Verfassung, selbst die Gebundenheit der Gedanken darin ist bloßgelegt. Die Geschichte des neuen Textes ist nicht ausgelöscht, sie bleibt auf den Rückseiten der verbliebenen Wörter erhalten.
Hier seitenweise die Worte der geänderten Verfassung:
/KAPITEL 1, Politische Grundlagen/
in Stadt und Land im unteren Teil umschlungen
die Freiheit eines anderen Volkes
Die Bodenschätze, die Bergwerke, Kraftwerke, Talsperren und großen Gewässer, die Naturreichtümer des Festlandsockels sind grundsätzlich
Luft der Heimat
Werte als Sache der Körperkultur
/ABSCHNITT II, Bürger und Gemeinschaften in der Gesellschaft/
Jede Jeder
Mann und Frau
befreit
geheimnis
vorhandene Unverletzbarkeit
Die Kirche ihrer Muttersprache
/KAPITEL 3, Die Gewerkschaften und ihre Rechte/
Sie nehmen teil an der Revolution
/KAPITEL 4, Die Produktionsgenossenschaften und ihre Rechte/
freiwillig
/KAPITEL 1, Die Volkskammer/
verwirklicht Entwicklung
für die Dauer der Sorge
Tatsache der Anwesenheit
am 60. Tage am 45. Tage am 15. Tage
/KAPITEL 2, Der Staatsrat/
nach der Neuwahl
schreibt Fragen
/KAPITEL 3, Der Ministerrat/
Er erläßt Namen
zur gemeinsamen Wahrnehmung
/ABSCHNITT IV, Gesetzlichkeit und Rechtspflege/
Leben unmittelbar
unabhängig – gebunden
gehört werden
die Entscheidung zu wenden
Die Verfassung geändert
in Kraft.
Einige Verfassungsseiten habe ich einzeln geändert – sie sind hier und hier zu sehen. Die herausgeschnittenen Wörter der Verfassung habe ich zu Modellen für eine organisch geformte Konstitution geformt.
Das staunende Buch
Das Buch
In die Jahre gekommen
Und in den Keller
Neun Jahre Hoffnung
Reglos in Gelb
Enden abrupt mit Sehnsucht
Nach Vereinfachung:
Seiten ausreißen,
Einzeln, Abschnittsweise
Wortweise den Kokon gefaltet
Neun Monate oder Stunden
Später, beim ersten Sonnenstrahl
Öffnet sich langsam
Der Einband und gibt einen
Noch zarten, ungeschützten
Kleinen Buchstaben frei
o
Das Gedicht vom März 2013 hat das staunende Buch mit hervorgebracht, das vor seiner Verwandlung übrigens „Ferien, mit Fischen“ hieß. Weitere Bilder auf flickr hier und hier.
Neue Wortbehänge
Im Bastelladen habe ich 25×25 cm großen Hasendraht entdeckt. Perfekt um losen Worten einen Halt zu geben. Für mein erstes Experiment mit dem Drahtgeflecht habe ich Tiermärchen verarbeitet. In einer freundlichen Struktur umkreisen sie das Gitter. Und oben wird es dann still.
Mein zweites Experiment war aufwändiger. Ich habe skandinavische Trollmärchen in Streifen geschnitten, teils gewachst und mit Tusche markiert und dann am Gitter festgenäht. In das mysteriöse Gewebe passten auch noch ein paar Charaktere.
Mehr Fotos (zum Vergrößern anklicken)
Meine ersten Wortbehänge sind verhäkelte Heldensagen. Hier anschauen.