Aus schwierigen Geschichten

aus einer Kriegsgeschichte - Ines SeidelNicht alle Bücher, die ich transformiere, haben so zauberhafte Muster zu erzählen, wie Märchenbücher. Und nicht alle kann ich selbst so neutral betrachten, wie etwa die Tierparkgeschichten.
Das Buch oben erzählte unter dem Namen „Der Wind stirbt vor dem Dschungel“ Harry Thürks Geschichte von Kolonialkrieg und Kommunistenverfolgung in Malaya in den 1950er Jahren. Aufgeschlagen ist eine Seite, auf der einer Heldin grausame Folter angedroht wird. Als DDR-Kind habe ich in dem Buch vor allem die systemkonforme Fabel vom aufrechten, guten Kommunisten erkannt, ein Erzählmuster, das ich schon zur Genüge kannte, als ich dieses Buch bekam. Heute sehe ich darin eine Geschichte über Konflikt und Krieg, die ihre Berechtigung hatte und die jetzt weiterverwandelt werden kann.
Muster des Zerfalls
Mit gemischten Gefühlen habe ich auch „10 Tage, die die Welt veränderten“ von John Reed in die Hand genommen. Dem Augenzeugenbericht über die Oktoberrevolution in Russland 1917 haftete für mich die Aura von DDR-Literatur an, womit ich dem Amerikaner Reed, der bereits 1920 starb, natürlich Unrecht tue.
Muster des Zerfalls (Detail) - Ines Seidel
Das veränderte Buch verkörpert Umbruch und Zerfall: Die starren Strukturen reißen auf, Mauern fallen und lassen hoffnungsvolles Gold erahnen. Die Bruchstücke sind gebunden. Und so ist noch völlig offen, welches neue Gefüge sich ergeben wird. Ganz wie bei der Oktoberrevolution 1917 und den Revolutionen und Umbrüchen unserer Tage.

Eine schwierige Geschichte ist auch „Der Brief aus Odessa“ von Anne Geelhaar. Das kleine Trompeterbuch (zum Preis von 1,75 Mark) ist sogar von der DDR-Kinderbuchautorin signiert. Die Geschichte spielt am Ende des zweiten Weltkriegs und es geht, aus der Perspektive eines kleinen Mädchens, vor allem um die Angst vor den einmarschierenden Russen. (Die sich im Buch natürlich als vertrauenswürdig und integer herausstellen.)
Buch mit Angst und anderen Mustern - Ines Seidel
Mich hat das Muster der Angst interessiert, das letztlich unabhängig von dieser Geschichte ist. Ich wollte es sichtbar machen, eben als Muster, das neben anderen Mustern steht.

Aufbruch der Bücher

Zeichen des Aufbruchs- Ines SeidelIch habe wieder angefangen, alte Bücher zu verändern. Ich will das Buchsein als eine Übergangsphase zeigen, eine des Stillstands vor der nächsten Bewegung.

Für „Zeichen des Aufbruchs“ habe ich als Ausgangspunkt wieder Eierschalen mit Tusche und Textfetzen verändert. Das Brechen der Schalen, der Aufbruch, ist bereits vorbei, nur noch an den liegengebliebenen Eierschalen erkennbar.

Zeichen des Aufbruchs an Eierschalen- Ines Seide

Mein zweites Buch steht kurz vor dem Aufbruch. Es hat sein Bündel geschnürt und ist für ein neues Abenteuer bereit. Das Wichtigste, was es dafür braucht, liegt gut erreichbar ganz oben im Gepäck: Das Wörtchen ‚und“.
gepackt und zum Gehen bereit- Ines Seide

Erinnerungen an einen früheren Aufbruch beinflussen das dritte Buch, das sich gerade verändert. Ich habe ein Foto von einem Holzstapel mit den Markierungen für die Weiterverarbeitung auf eine Seite transferiert und auf der anderen Seite ein ähnliches Muster zum Vorschein gebracht. Wie es wohl mit dem Buch weitergeht?
Muster der Vorbereitung - Ines Seidel

Verwilderung

Verwilderung - Ines Seidel
In letzter Zeit habe ich viel mit einem alten Reclam Taschenbuch von 1984 gearbeitet: Hans Christian Andersen. Märchen und Geschichten. Die Seiten sind schön dünn und vergilbt und es stehen schöne Worte darin. „Die Blumen tanzten auf den Stielen“ zum Beispiel, oder „die Kleider wurden zu Federn“. Wundervoll, um daraus etwas Neues zu gestalten.
Doch eine Andersen-Geschichte im Ganzen ist für mich wenig inspirierend: So weitschweifig und wortreich, moralisch und belehrend. Und dann die Mädchengestalten, die als hübsch und lieb in Erinnerung bleiben. Trotz der Enttäuschungen, die Andersen für sie vorgesehen hat. So wie die kleine Seejungfrau, das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzchen oder Gerda, die sich zur Schneekönigin aufmacht.

Jedenfalls, dieses Buch ist in einem neuen Lebensabschnitt angekommen. Möglicherweise in der Pubertät. Es ist wilder geworden, aufsässiger. Aber unsicher ist es auch. Und noch etwas verspielt, wie ich beim Fotografieren bemerkt habe…

Weitere Ansichten von der Verwilderung des Märchenbuchs hier und hier.

Geflickte Schalen

Blaue Schale, geflicktKreative Zerstörung: Im Frühjahr habe ich zwei Schalen aus Papier gemacht. Sie sind mit dem blauen Papier ganz hübsch geworden, aber so richtig überzeugt haben sie mich nicht. Jetzt habe ich sie zerrissen (die blau-weiße Schale) bzw. Formen ausgeschnitten. Und dann alles wieder ein bisschen anders zusammengeflickt. Jetzt gefallen sie mir richtig gut. (Bis zur nächsten Verwandlung.)
Papierschale, geflickt
weitere Fotos – zum Vergrößern anklicken:

blaue Schale - Detail

blaue Schale - Detail

graue Schale - Innenansicht

graue Schale - Innenansicht

graue Schale - Detail

graue Schale - Detail